Der Mobilitätrat hat mir verschiedene Frage zur Mobilität der Zukunft in Kiel gestellt. Hier sind meine Antworten.
Was sind Ihre wichtigsten Maßnahmen für die Kieler Mobilitätswende?
- Schaffung eines hochwertigen ÖPNV-Systems auf einer eigenen Trasse: technologieoffene Trassenstudie, anschließend Trassen- und Systementscheidung, Aufbau Planungsgesellschaft, Planungs- und möglichst auch Baubeginn in meiner zweiten Amtszeit. Stand heute sprechen die überwiegenden Argumente für eine schienengebundene Stadtbahn. Möglichst bereits im ersten Bauabschnitt Aufbau einer Regio-Tram, im ersten Schritt Einbindung der Bahnlinien Hein Schönberg und Preetz-Kiel in das Stadtbahnnetz.
- Aufwertung des Fährverkehrs: Kostenlose Schwentinefähre ab 2020, Ausweitung des Fahrplans am späten Abend und am Wochenende. Prüfung vergleichbarer Maßnahmen für die anderen und ggf. zusätzliche Fährlinien.
- Fahrradoffensive: Erhöhung der Investitionen in die Radverkehrsinfrastruktur von 17 auf 30 Euro pro Bürger/Jahr. Beschleunigung der Umsetzung des Velo- und Premiumradroutenprogramms, Umwandlung von PKW-Spuren in Fahrradspuren, wie bereits am Kronshagener Weg begonnen und geplant in der Gutenbergstr. Ergänzt durch Protected Bike Lanes, z.T. auch auf derzeit vierspurigen Autostraßen wie z.B. Eckernförder Straße; zusätzlich Schaffung weiterer Fahrradstraßen und Reduzierung des PKW-Verkehrs in diesen, umfangreiches Aus- und Verbesserungsprogramm für das bestehende Radwegenetz, Ausbau von sicheren und überdachten Fahrradabstellmöglichkeiten und den Kieler Fahrradbügeln etc.
Viele Maßnahmen werden Jahre brauchen, bis sie umgesetzt sind. Wie wollen sie kurzfristig Verbesserungen für die Mobilität der Kieler*innen erreichen?
- Kurzfristig Angebotsverbesserung im Kieler Busnetz, günstigere Tarifstruktur, bei entsprechender finanzieller Unterstützung Einführung des 1-Euro-Tickets. Antrag beim Bundesverkehrsministerium auf Status als entsprechende Modellstadt (Klimaschutzprogramm der Bundesregierung) ist gestellt.
- Komfortverbesserung im Kieler ÖPNV: Kurzfristig weiterer Zubau von WLAN in Bussen und an Haltestellen, digitales Bezahlen und digitale Tickets, bessere Fahrplanverzahnung innerhalb Kiels und mit Umlandverbünden, bessere digitale Informations- und Reiseplanungssysteme.
- Umbau von SFK und KVG auf Hybrid- und E-Antriebe, Schaffen entsprechender Lade- und Betriebshofinfrastruktur für insgesamt mehr als 120 Mio. Euro. Förderung alternativer Antriebssysteme (E-Mobilität, Wasserstoff) im Fuhrpark der LH Kiel und ihrer Betriebe, Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastrukturen und andere Fördermaßnahmen zur E-Mobilität.
- Aktive Förderung des Ausbaus der Car- und Bikesharingsysteme, insbesondere auch der sehr erfolgreichen Sprottenflotte: Dichteres Stationsnetz, Integration von E-Bikes und Lastenrädern.
- Bau von 45 Mobilitätsstationen (hochwertige Fahrradabstellmöglichkeiten und Carsharing an Bahnhöfen, wichtigen Plätzen und Bushaltestellen) in Kiel, Eröffnung weiterer Bahnhaltepunkte, z.B. auf der Linie Hein Schönberg.
Was für einen Modal Split streben Sie bis zum Ende der nächsten Amtszeit 2024 an?
Ich orientiere mich grundsätzlich an den Zielen des Masterplan Mobilität der Kiel.Region:
Bis zum Ende meiner Amtszeit (2026!) sollen entsprechende Teilziele erreicht werden. Ich gehe davon aus, dass ein höherer Anteil des Radverkehrs vergleichsweise zügig erreicht und ggf. übertroffen werden kann. Gerade auf dem Kieler Ostufer haben wir noch viel Potential – durch einen schnellen Ausbau der Veloroute Ostufer (s.o.) können hier schnell Erfolge erzielt werden. Beim ÖPNV wird dies angesichts des Planungs- und Bauvorlaufs für ein hochwertiges System schwieriger sein. Hinsichtlich des PKW-Bestands in Kiel und des Pendlerverkehrs muss es zunächst darum gehen, den weiteren Anstieg zu stoppen und die Tendenz umzukehren. Das ist – jedenfalls kurzfristig – ein ambitioniertes Ziel!
Wie wollen Sie das Zufußgehen attraktiver gestalten?
- Schaffen weiterer autofreier oder autoreduzierter Straßenbereiche, denkbar z.B. im Bereich Andreas-Gayk-Straße, Wall, Kiellinie Nord, Olshausenstraße im Bereich CAU-Campus; Bau einer Rad- und Fußgängerbrücke über die Schwentine, Weiterbau der Gaardener Brücke.
- Überprüfung der öffentlichen Gehwegparkflächen, ob und in welchem Maße die notwendige Fußwegbreite unterschritten wird. Bessere Kontrolle durch Kommunalem Ordnungsdienst und Ordnungsdienst, um Falschparken auf Gehwegen zu reduzieren. Ggf. Sicherung der Gehwege vor Falschparken durch bauliche Maßnahmen (etwa „Frankfurter Hüte“ wie in der Schweffelstr. und dem Kronshagener Weg)
- Bessere Orientierungs- und Leitsysteme für Fußgänger*innen (analog und digital), angefangen in der Innenstadt, schrittweise Ausweitung in die Stadtteile.
- Ausbau qualitätsvoller, sicherer Fußwege, Abbau von Angsträumen und Engstellen, barrierearme Wege, schnelle Umsetzung der Mängelberichte aus den Begehungen (gerade bei kleinen baulichen Mängeln). Enge Einbindung der Verbände und Ortsbeiräte in diesem Prozess.
- Schaffung und Aufwertung von Fußwegverbindungen, die (auch) für Tourismus und Naherholung wichtig sind, z.B. Fördewanderweg, Wegenetz in den Kleingartenanlagen.
- Konsequentere Umsetzung der stadteilbezogenen Fußwegeachsen- und Kinderwegekonzepte
Jeden Tag pendeln Zehntausende Menschen nach Kiel ein. Überwiegend mit dem Auto. Wie soll Ihrer Meinung nach diese Zahl reduziert werden? Was schlagen Sie hier als Sofortmaßnahme vor?
Neben den unter den anderen Punkten genannten Maßnahmen folgende weitere:
- Kundenfreundlicheres Job-Ticket von NAH.SH für Beschäftigte und Azubis (ab 2020)
- Etablierung eines konsequenten betrieblichen Mobilitätsmanagements in ganz Kiel mit der LH Kiel und den stadteigenen Betrieben in Vorbildfunktion (Green City Plan!)
- Konzertierte Aktion der LH Kiel und ihrer Betriebe für durch den Arbeitgeber subventionierte Job-Tickets (KVG und Bahn), ggf. auch komplett kostenlos (analog Semesterticket für Studierende, Hessen-Ticktet für Landesbedienstete), Einbeziehung der Dienststellen der Landesregierung und großer Arbeitgeber in Kiel (entsprechende Gespräche laufen). Gleichzeitig Aufbau entsprechender Angebote für Fahrradfreundlichkeit von Behörden und Betrieben (Zuschuss E-Bike-Leasing, Anschaffung Dienstfahrräder für (auch) privaten Gebrauch) sichere Fahrradabstellmöglichkeiten, Duschen am Arbeitsplatz etc.)
- Ausbau von Bahnverbindungen und Schaffung weiterer/Ausbau bestehender Bahnhaltepunkte (z.T. mittelfristig)
- Prüfung/Planung/Schaffung von Park- & Ride-Parkplätzen in Kiel und im Kieler Umland, insbesondere an Bahnhaltepunkten.
- Enge Zusammenarbeit beim Ausbau des Radwegenetzes mit den Umlandgemeinden, damit Pendler*innen sicher mit dem Rad nach Kiel kommen.
Andere Städte zeigen, dass man mit Parkraumbewirtschaftung den Parkdruck aus den Quartieren nehmen kann. Der Parksuchverkehr nimmt ab, die Lebensqualität steigt. Studien zeigen zudem, dass Radfahrer*innen und Fußgänger*innen sogar mehr einkaufen. Was ist Ihre Pläne zur Parkraumbewirtschaftung in Kiel?
- Ein neues Konzept der Parkraumbewirtschaftung ist Teil des Green-City-Plans und befindet sich in der Erarbeitung. Priorität hat für mich die Prüfung der weiteren Parkraumverknappung in der Innenstadt (entsprechend des Wegfalls der Parkplätze Alte Feuerwache, Eggerstedtstraße, Jensendamm und zukünftig Hopfenstraße), Konzentration von Parkmöglichkeiten am Rand der Innenstadt (Beispiel: Tiefgarage Dokk1 in Aarhus), also z.B. Parkhaus ZOB u.a., Erarbeitung eines Konzeptes für eine emissionsfreie Innenstadt (analog Dortmund) und die Ausweitung MIV-freier bzw. MIV-armer Innenstadtbereiche (analog Holstenbrücke). Angesichts der derzeitigen Struktur- und Leerstandsprobleme der Innenstadt muss zwingend gleichzeitig die Aufwertung alternativer Mobilitätsangebote (ÖPNV, Fähren, Radverkehr) erfolgen, d.h. die Erreichbarkeit der Innenstadt darf sich insgesamt nicht verschlechtern – und wird sich durch einen weiteren mutigen Ausbau von Fuß- und Radverkehrsinfrastruktur sowie ÖPNV sogar verbessern.
- Planung neuer Stadtteile (Kieler Süden, MFG-5-Gelände, Kiel.Science.City) mit klimaneutralen Energie- und Mobilitätskonzepten und entsprechend reduzierten und konzentrierten Parkplatzkonzepten (vgl. z.B. Quartiersgaragen Französisches Viertel Tübingen, Siedlung Vauban Freiburg).
- ÖPNV, Fuß- und Radverkehr bevorzugende Mobilitätskonzepte für Großveranstaltungen wie Kieler Woche, Betrieb Sparkassenarena und zukünftiges Holstein-Stadion. Mehr bewachte Fahrradabstellmöglichkeiten bei diesen Veranstaltungen wie bereits bei der Kieler Woche.
- Erarbeitung stadtteilbezogener Parkraumkonzepte in enger Abstimmung mit den Ortsbeiräten (z.B. Wilhelmsplatz, allgemein Konzepte für Bewohnerparken, Ausweitung von Fahrradparkplätzen zulasten von PKW-Parkplätzen). Mehr Platz für den Fußverkehr, auch zu lasten von PKW-Stellplätzen.
- Konsequente weitere Flexibilisierung der städtischen Richtlinie zu PKW-Stellplatzanforderungen bei Neubauprojekten zulasten herkömmlicher PKW-Stellplätze und zugunsten von Fahrradstellplätzen, ÖPNV-Einbindung, Car-Sharing-Plätzen und E-Ladestationen.
Welche Leuchtturmprojekte können Sie sich für den Radverkehr in Kiel vorstellen?
Siehe bisherige Antworten, plus:
- Beschleunigter und prioritärer Ausbau der Radwege auf dem Ostufer, insbesondere der Premiumradroute Werftstraße Richtung Fachhochschule in Kombination mit Fuß- und Radbrücke über die Schwentine, dadurch Einsparung einer Fährhaltestelle, kostenlose (für Personen und Räder) Schwentinefähre inkl. Fahrplanausweitung, Einbindung des Projekts Velocampus der FH.
- Beschleunigter Ausbau der Kiellinie zur Premiumradroute bis zum NOK, fahrradfreundliche Nachfolgefähre für Adler I (ggf. zukünftig unter Regie der LH Kiel statt WSV), Aufwertung der weiteren fördenahen nördlichen Fahrradroute bis Falkensteiner Strand und weiter nach Schilksee inkl. Durchwegung durch Gewerbegebiet Friedrichsort/Festung Friedrichsort direkt an den Falckensteiner Strand.
- Gemeinsame Planung und Bau von Gemeindegrenzen überschreitenden, hochwertigen Fahrradrouten mit dem Kieler Umland (z.B. mit Kronshagen, Schwentinental, Mönkeberg, Heikendorf, Schönkirchen, Gettorf)
Würden Sie sich aktiv für den Ausbau-Stopp der B404 zur A21 auf dem Kieler Stadtgebiet und den Planungsstopp der Südspange einsetzen?
Nicht pauschal und generell – denn erstens ist der komplette Ausbau-Stopp angesichts der Beschlusslage des Bundestages und des im Gange befindlichen Ausbaus vor den Toren Kiels utopisch; zweitens (und wichtiger): Der derzeit laufende Ausbau der B404 zur A 21 bis zur Kieler Stadtgrenze wird Verkehre generieren, die zwingend auch auf Kieler Stadtgebiet organisiert werden müssen. Dies ist mit dem heutigen Ausbaustand der B404 in Kiel schlicht nicht möglich (z.B. Engstelle am Brückenbauwerk über den Kieler Weg, bereits heute bestehende Überlastung des Barkauer Kreuzes). Ich unterstütze die Vereinbarung der Kieler Rathauskooperation zum Ausbau:
„Die weitere Planung und Umsetzung des Vorhabens obliegt dem Bund. Wir werden das weitere Verfahren konstruktiv unterstützen und insbesondere sicherstellen, dass die betroffenen öffentlichen und privaten Belange umfassend in den Planungs- und Abwägungsprozess einfließen und eine frühzeitige und breite Öffentlichkeitsbeteiligung stattfindet.“
Dies muss insbesondere für die natur- und artenschutzrechtlichen Belange und frühzeitige und umfassende Bürgerbeteiligungsprozesse gelten. Zu welchen vorzugswürdigen planerischen Lösungen dies letztlich führt und welchen zeitlichen Horizont der Ausbau dann hat, lässt sich erst im Lauf des Planfeststellungsverfahrens beantworten.