„Ja, wir könnten jetzt was gegen den Klimawandel tun,
Marc-Uwe Kling
aber wenn wir dann in 50 Jahren feststellen würden,
dass sich alle Wissenschaftler doch vertan haben und
es gar keine Klimaerwärmung gibt, dann hätten wir
völlig ohne Grund dafür gesorgt, dass man selbst in den
Städten die Luft wieder atmen kann, dass Autos weder
Krach machen noch stinken und dass wir nicht mehr
abhängig sind von Diktatoren und deren Ölvorkommen.
Da würden wir uns schon ärgern.“
Wir Menschen sind ziemlich gut darin, unsere kurzfristigen Bedürfnisse über das zu stellen, was auf lange Sicht das Beste für uns ist: Jetzt mit dem Rauchen aufhören, damit ich in Jahrzehnten nicht an Krebs sterbe? Mit der neuen Folge von Game of Thrones warten und endlich für die Mathearbeit üben? Noch eine Laufrunde drehen, damit ich beim Kiel-Lauf fit bin? Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach.
Was privat schon schwer genug ist, klappt in der Politik noch schlechter – ist ja kein Wunder, denn als Wählerinnen und Wähler tappen wir in die gleiche Falle: Ob in der Verkehrs-, der Haushalts- oder der Rentenpolitik, die unangenehmen Entscheidungen und Reformen, von denen wir oder spätere Generationen erst in vielen Jahren profitieren, fallen der Politik unendlich schwer.
Ein besonders krasses Beispiel ist die Klimapolitik: Unsere heutigen Versäumnisse rächen sich erst viele Jahre später, und angesichts der Größe der Herausforderung flüchten sich viele in Zweckoptimismus: Wer wisse denn schon, ob es wirklich so schlimm kommt? Ob nicht die Wissenschaft übertreibt? Ob eine tolle Erfindung unser Klima doch noch rettet und wir so weitermachen können wie bisher? Unsere Trägheit schmiedet mit den massiven wirtschaftlichen Interessen, die gerne weitermachen wollen wie bisher, ein fatales Bündnis gegen die Zukunft.
Natürlich könnte jeder von uns persönlich durch eigenes Verhalten für mehr Klimaschutz sorgen, aber solange der Großteil der Menschheit einfach weiter besinnungslos CO2 produziert, wird das wenig nützen.
Effektiver Klimaschutz muss mit unserer Bequemlichkeit rechnen und als politische Aufgabe verstanden werden: Wir müssen die Regeln ändern, die für alle gelten – und wenn wir Ernst machen, wird das unsere Gesellschaften grundlegend verändern.
Und auch wenn die wesentlichen Entscheidungen auf internationaler, europäischer und nationaler Ebene fallen müssen, bleibt für kommunale Klimapolitik in Kiel eine wichtige Rolle. Denn viele Dinge können wir vor Ort bestimmen: Weil wir in diesem Jahr unser altes Kohlekraftwerk abschalten und ein modernes, flexibles Gasheizkraftwerk in Betrieb nehmen, wird Kiel seine für 2020 gesetzten Einsparziele bei den schädlichen Klimagasen erreichen. Sollten wir deshalb aufhören? – Warum eigentlich, wenn wir doch noch besser werden können und müssen. Wenn wir den ÖPNV und das Fahrradfahren fördern, erhöht das nicht nur die Lebensqualität, sondern dann ist das konkreter Klimaschutz. Landstrom für Kreuzfahrtschiffe, Green-IT, Küstenschutz, der den Klimawandel mitdenkt: Es gibt so vieles, was Kiel heute schon tut und noch tun kann, um die wohl größte Menschheitsbedrohung des 21. Jahrhunderts noch abzuwenden.
Fast einstimmig hat die Ratsversammlung den 800 Seiten langen „Masterplan 100% Klimaschutz“ verabschiedet. Damit sind wir eine von rund 40 Klimaschutz-Modellkommunen in Deutschland.
Wir wissen ziemlich genau, was zu tun ist. Doch Papier ist geduldig, und gute Vorsätze sind noch keine entschlossene Politik. Auch die „Fridays for Future“-Demonstrationen verändern (noch) nicht die Welt. Aber sie sind eine wichtige Erinnerung daran, dass wir längst wissen, was zu tun ist.
Doch ohne unsere Komfortzone zu verlassen, oder, weniger vornehm ausgedrückt, ohne den Hintern hochzukriegen, werden wir es nicht schaffen. Ich finde es deshalb gut, dass die Ratsversammlung vor kurzem eine „Climate Emergency Declaration“ verabschiedet und damit die Dringlichkeit engagierten Klimaschutzes unterstrichen hat.
Kiel ist keine bequeme Stadt. Und den leichtesten Weg werden wir nicht gehen. Viele Lösungen und Ideen, wie wir Klimaschutz hinkriegen, ohne auf Lebensqualität zu verzichten, sind schon da oder im Entstehen und genau das will ich weiterhin vorantreiben. Sorgen wir gemeinsam dafür, dass Kiel auch bei Klimaschutz Vorbild ist.
Links
- Download: Ulf Kämpfer – Viel Mehr Vor
- Thema: Klimaschutz und Umwelt